Prämiensparverträge: Die Kündigungswelle der Sparkassen rollt

15.11.2019 - Mehr als vierzig Sparkassen haben sich auf die rentablen Prämiensparverträge eingeschossen: Sie kündigen massenhaft Verträge - ohne Rücksicht auf ihre Stammkunden. 


Die Institute begründen diesen Schritt mit den anhaltenden Null- und Negativzinsen, in denen man einen »sachgerechten Grund« für die Kündigung sehe.
In München trifft es zum Jahresende ca. 24.000 Kunden der dortigen Sparkasse; die Sparkasse Nürnberg kündigt 21.000 Verträge.

 

Was ist der Grund?

Prämiensparverträge sind wegen ihrer mit der Zeit steigenden Bonuszahlungen für Kunden besonders attraktiv, drohen aber wegen der Nullzinsphase in der Euro-Zone für die Sparkassen mittlerweile sogar zum Verlustgeschäft zu werden, denn die in den Sparverträgen vereinbarten Zinsen und Prämien sind weit höher als die aktuellen Zinsen. Deshalb wollen immer mehr Sparkassen diese Verlustverträge nun loswerden. 

 

Wie funktioniert ein Prämiensparvertrag?

In der Regel erhalten Kunden neben dem Grundzins auf den insgesamt angesparten Betrag eine Prämie auf die jeweils in einem Jahr eingezahlte Summe, und zwar ohne feste Laufzeit. Diese Prämie steigt dann mit der Zeit.
Meist erreicht man im 15. Jahr des Sparens die höchste Prämienstufe und damit den Bonus von 50 Prozent der in dem Jahr eingezahlten Sparbeträge. Aber auch Varianten sind möglich, in denen diese Stufe erst mit dem 25. Jahr erreicht wird bzw. 100 Prozent der in diesem Jahr angesparten Summe als Bonus vorgesehen sind.
Auffällig: Die Kündigungen sind vor allem dann passiert, wenn Kunden mindestens einmal diesen höchsten Bonus kassiert hatten.

 

Wie viele Verträge sind betroffen?

Teilweise wurden schon in den Jahren 2017 und 2018 solche Kündigungen ausgesprochen, andere Institute ziehen nun nach. Mittlerweile haben schon mehr als vierzig Institute, also mehr als jedes zehnte bundesweit, Kündigungen angekündigt oder bereits durchgeführt.

Hierbei dürfte es um eine Größenordnung von weit über 100.000 Verträgen gehen, und die Kündigungstendenz ist weiter steigend, weil auch viele weitere Sparkassen hierüber nachdenken.

 

Druck auf die Zinsmargen nimmt zu

Volksbanken und Sparkassen haben bisher gut gewirtschaftet und Gewinne eingefahren. Aber da die Europäische Zentralbank (EZB) Mitte September den Minuszins bekräftigt und den Einlagenzins für Banken auf minus 0,5 Prozent gesenkt hat, erhöht sich nun der Druck auf die Zinsmargen. Die Geldhäuser werden allerdings durch Freibeträge noch ein Stück weit entlastet.

 

Sparen ist Programm?

Die Sparkassen tragen es im Namen: Das Sparen ist der Markenkern der Institute. Im bayrischen Sparkassengesetz ist der Auftrag ausdrücklich genannt: »durch geeignete Einrichtungen den Sparsinn der Bevölkerung zu pflegen«.
Auch die langfristige Kundenbindung durch Prämiensparverträge war ein Bonus für die Sparkassen. Das bedeutet, dass nun gerade die treuesten Kunden der Institute mit fünfzehn und mehr Jahren Loyalität im Sparen von der Kündigung betroffen sind.

 

BGH-Urteil stärkt die Sparkassen

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt den Sparkassen Rückendeckung. Hiernach ist die Kündigung langjähriger Sparverträge unter bestimmten Umständen zulässig (XI ZR 345/18).
Im Mai entschied der BGH im Fall der Kreissparkasse Stendal, dass bei den strittigen Sparverträgen ein ordentliches Kündigungsrecht bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen sei.

Mit diesem Urteil im Rücken können sich die Institute dieser Verträge per Kündigung entledigen.
Verbraucherschützer denken allerdings, dass diese BGH-Entscheidung nicht für alle Prämiensparverträge Geltung hat.
Ute Bernhardt, Leiterin des Referats Recht der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt, sagt: »Dabei geht es um Verträge, in denen steht, dass die Sparkasse die höchste Prämie ab dem 15. Sparjahr zahlt und explizit in den folgenden Sparjahren. In den Verträgen wird die Prämienzahlung bis hin zum 20., 25. oder sogar 99. Sparjahr versprochen.« Für diese Dauer hätten die Institute aber auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichtet«. Außerdem kritisiert die Verbraucherschützerin weiter, dass die Sparkassen ja das Refinanzierungsrisiko tragen und deshalb die Niedrigzinsphase alleine keine außerordentliche Kündigung rechtfertige.

 

Quo vadis, Sparkasse?

Die angebotenen Sparalternativen sind bei Weitem nicht so attraktiv wie die bedrohten Prämiensparverträge. Hinzu kommt der bereits bestehende Streit um diese Verträge: Hierbei sind Kunden seit Jahren zu niedrige Zinsen gutgeschrieben worden, weil einige Kreditinstitute den Zinssatz »in unzulässiger Weise reduzieren«, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert. Etliche Zinsänderungsklauseln halten zudem der Rechtsprechung nicht stand.

 

Musterfeststellungsklage läuft

Deshalb läuft zurzeit eine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig vor dem Oberlandesgericht Dresden, die von der Verbraucherzentrale Sachsen eingereicht wurde.
Seit 2018 können Verbraucherschützer durch solche Musterfeststellungsklagen stellvertretend für die Betroffenen gegen ein Unternehmen klagen. Die Verbraucher tragen dabei kein finanzielles Risiko und können sich nach der Einreichung einer solchen Klage dieser anschließen.


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