Grundversorger für „Mondpreise“ abgemahnt

Die Verbraucherzentrale NRW klagt derzeit gegen die Benachteiligung von Neukund*innen bei den Grundversorgungstarifen von Strom und Gas.


Die Aufspaltung der Strom- und Gastarifen in der Grundversorgung zwischen Neu- und Bestandskund*innen stößt der Verbraucherzentrale sauer auf. Eine aktuelle Marktstichprobe ergab hier hohe Preisunterschiede, mit denen die Neukund*innen u.a. der Rheinenergie, der Stadtwerke Gütersloh und der Wuppertaler WSW Energie & Wasser AG benachteiligt werden. Diese drei Unternehmen wurden von der Verbraucherzentrale NRW nun abgemahnt: Dies sei ein Fall für die Energiekartellbehörde NRW.

Ursache für diese Ungleichbehandlung sind die massiven Preiserhöhungen bei Strom und Gas. Hierdurch wurden kleine Anbieter wie die Stromio GmbH und gas.de dazu gezwungen, quasi über Nacht die Lieferung einzustellen. Damit fielen hunderttausende Haushalte in die Ersatzversorgung zurück. Das bedeutet zwar, dass die betroffenen Haushalte weiter mit Energie versorgt werden, aber ein großer Teil der Grundversorger verlangen von den Neukund*innen Preise, die weit höher liegen als die der Bestandskunden: Bei den drei abgemahnten Versorgern sind das drei- bis viermal so hohe Gaspreise und das Doppelte bis Dreifache für Strom. Das bedeutet eine monatliche Mehrbelastung von im Schnitt 100 Euro mehr für Strom und mindestens 230 Euro mehr für Gas für Neukund*innen als für Bestandskund*innen.

Diese Ungleichbehandlung verstößt nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW gegen geltende Vorschriften des Energierechts. Die Verbraucherzentrale verschickte Abmahnungen an die genannten drei Unternehmen und rief die Energiekartellbehörde NRW zum Handeln auf.
Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der nordhrein-westfälischen Verbraucherzentrale erklärt, er habe zwar Verständnis für die nicht ganz einfache Situation der Grundversorger, aber die Benachteiligung der Verbraucher*innen, die ohne eigenes Verschulden in die Grundversorgung zurückgefallen seien, sei rechtswidrig und widerspräche dem eigentlichen Schutzzweck der Grundversorgung. Weiter sagt er: „Wir werden daher mit allen juristischen Mitteln gegen diese Benachteiligung vorgehen, die nur auf Grundlage eines willkürlich festgelegten Stichtags erfolgt.“

Die Betroffenen beklagen sich über die immensen Strom- und Gaspreise und die Höhe der Abschlagszahlungen, die ein Vielfaches der bisherigen monatlichen Kosten beträgt. Das bringe gerade Haushalte, die über weniger Einkommen verfügen, in große Bedrängnis.

Die aktuelle Marktstichprobe der Stromtarife wurde vom 10. bis 11. Januar 22 durchgeführt. 18 von insgesamt 23 Anbietern hatten einen solchen Neukund*innentarif für die Grundversorgung eingeführt; die Differenz zwischen Neu- und Bestandskund*innenpreisen betrug im Schnitt mehr als das Doppelte. 
Drei der Anbieter nehmen einen Neukund*innenarbeitspreis pro Kilowattstunde von über 90 Cent (der Durchschnitt bei Kund*innen, deren Anbieter auf die Tarifspaltung verzichten, liegt bei 34 Cent pro Kilowattstunde.). Das bedeutet für betroffene Haushalte in diesen Kommunen, dass sie dreimal mehr für Strom zahlen als in anderen Städten.
Die Verbraucherzentrale NRW kritisiert, diese Grundversorger würden ihre marktbeherrschende Stellung zu Lasten der betroffenen Haushalte missbrauchen. Es sei nicht allein die Aufspaltung der Tarife, sondern auch noch die deutlich überhöhten Preise, mit denen doppelt gegen geltende Vorschriften des Energierechts verstoßen würde. Hier stünde nun die Energiekartellbehörde NRW in der Pflicht, etwas zu unternehmen.
Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamts, stimmt dem zu: „Es ist kartellrechtlich durchaus relevant, wenn jemand missbräuchlich überhöhte Mondpreise zahlen muss.“

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